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Steigender Bedarf fuer kleine Klärwerke
Erstaunlich viele Haushalte sind nicht an Abwassersysteme angeschlossen – in ganz Europa, auch in Deutschland. Eine Lösung des Problems, gerade für abgelegene Orte, stellen Hauskläranlagen dar. Diese reinigen die Abwässer, wo sie entstehen.
DÜSSELDORF. Es gibt wieder Störe in der Oder. Auch viele andere Fischarten sind zurück in unseren Gewässern. Fast wären sie ausgestorben, weil schmutzige Abwässer vieler europäischer Städte lange ungeklärt in Seen, Bäche, Flüsse und die Meere eingeleitet wurden. Die EU erließ 1991 eine Richtlinie, wonach kommunale Abwässer durch eine Kläranlage geschickt werden müssen.
Längst nicht überall ist das Realität: Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass in Deutschland bis zu vier Millionen Haushalte noch nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen sind. Das betrifft nicht nur abgelegene Berghütten oder einsame Bauernhöfe. Oft sind Häuser auf dem Land, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen oder Sachsen-Anhalt mit traditionellen Faulgruben ausgestattet.
Auch Südeuropa ist klärtechnisch bei weitem noch nicht erschlossen. Hier fahren so genannte „Shit-Cars“ die stinkenden Reste aus Klo-, Küche- und Duschabflüssen ab, vorbei an naserümpfenden Urlaubern. „Nicht die feinste Art und Weise“, wie die Mitarbeiterin eines griechischen Bauunternehmers gesteht. Der Fäkalschlamm wird häufig über hunderte Kilometer weit in große Kläranlagen transportiert oder illegal in die Landschaft gekippt.
Miniklärwerke könnten einen Ausweg bieten: Branchenkenner sehen einen echten Trend zur dezentralen Abwasserbehandlung. „Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland bereits 1 bis 1,2 Millionen Kleinkläranlagen gibt“, berichtet Elmar Lancé vom Aachener Prüfinstitut für Abwassertechnik, PIA. „2015 werden es rund 15 Millionen in Europa sein“, so seine Prognose. Miniklärwerke sind für vier bis fünfzig Anwohner ausgelegt. Der Grund, dass Kommunen sich für diese Lösung entscheiden, sind fehlende oder marode Rohrleitungsnetze und steigende Energiekosten, um die Schmutzfracht über lange Strecken in Klärwerke zu pumpen. Auch der demografische Wandel gilt als Argument für dezentrale Systeme: „Bei immer weniger dicht besiedelten Landstrichen müssen wir uns fragen, wo sich zentrale Lösungen noch lohnen“, heißt es aus dem Umweltbundesamt.
Für eine Hauskläranlage wird ein drei Meter hoher Betontopf mit zwei Metern Durchmesser etwa 80 Zentimeter unter die Grasnarbe gesetzt. Abhängig vom Anlagentyp kann der Bottich auch größer sein. Das Abwasser wird meist über eine elektronische Steuerung acht Stunden durch mehrere Kammern geleitet. Im ersten Schritt setzt sich Grobes ab, flüssige Anteile laufen in den so genannten Bioreaktor, wo Bakterien auf ihr Futter warten. Je nach Verfahren schwimmen sie frei im Reaktor oder sind an Kunststoffkörper gebunden, um Stickstoff und Kohlenstoff abzubauen. Nach der Reinigung versickert das Wasser, wird in einen Bach eingeleitet oder zum Blumengießen genutzt. Als Mercedes unter den Reinigungsmethoden gilt die Membrantechnik, weil sie die beste Wasserqualität erzielt, aber ein Drittel teurer ist als die anderen. Alle Anlagen sind geruchsfrei, wenn es richtig funktioniert, versichern Hersteller.
Wer eine Anlage plant, sollte die voraussichtliche Abwassermenge einschätzen können. Gerade bei kleinen Anlagen falle Unterlast oder Überlast schon ins Gewicht „Auch die Bodenstruktur für die Versickerung sollte bei der Auswahl beachtet werden“, empfiehlt Wolf-Michael Hirschfeld, Gründer des Schulungszentrums für dezentrale Abwasserbehandlung, BDZ. Grob geschätzt kostet die Anschaffung einer kleinen Vier-Personen-Anlage mit Montage und Abwasserableitung zwischen 6 000 und 8 000 Euro. Dazu kommen jährlich rund 300 Euro für Strom, Wartung und Klärschlammentsorgung. Einige Bundesländer, wie Sachsen, fördern den Bau einer vollbiologischen Kleinklärung mit 1 500 Euro.
Etwa 50 deutsche Produzenten teilen sich den Markt, die Konkurrenz aus anderen europäischen Ländern ist gering. „Technologisch ist Deutschland ganz vorne. Bei uns ist das Umweltbewusstsein einfach ausgeprägter als anderswo“, glaubt Gerald Rollett vom Fachverband Kleinkläranlagen Beton. Als Hygiene- und Haltbarkeitsgarantie gibt es eine neue europäische Norm, nach der die Anlagen ab Juli 2008 ein CE-Label brauchen, um eine abwasserrechtliche Genehmigung zu bekommen. Die Prüfungen für die Produktnorm dauern 38 Wochen – wer jetzt nicht damit anfängt, ist nicht pünktlich fertig. „Wir gehen davon aus, dass viele Hersteller in Europa das noch gar nicht wissen. Italien hat die Norm noch nicht einmal ins Italienische übersetzt“, verrät Lancé.
Neben dem Wunsch nach sauberem Wasser sind vor allem europäische Vorschriften ein Grund, sich Gedanken über Abwasserklärung zu machen. Groß ist das Interesse aus osteuropäischen Ländern, die die EU-Mitgliedschaft anstreben – etwa Serbien und Montenegro. Länder wie Irland, Belgien, Niederlande haben die dezentrale Reinigung als wichtige Methode zum Wassersparen erkannt und fragen bei deutschen Kleinkläranlagenherstellern an. Weniger aktiv sind die Mittelmeerländer, obwohl der Wassermangel dort immer extremer wird. Ausnahmen gibt es trotzdem. Manfred Düll, Bauplaner auf Kreta meint: „Brüssel ist zwar weit weg von hier. Aber bei uns wird das Wasser immer weniger. Mit entsprechenden Kleinanlagen könnten wir aufbereitetes Wasser für die Bewässerung oder die WC-Spülung nutzen. Das ist ein Thema der nahen Zukunft.“
von Kathleen Spilok
Quelle: Handelsblatt ; Erscheinungsdatum 08.10.2007